Gebäudetechnik Kongress


 

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Wandel für eine CO2-neutrale Zukunft

Effiziente und klimafreundliche Gebäude sind ein Gebot der Stunde. Die Gebäudetechnik leistet einen wesentlichen Beitrag, damit das Ziel erreicht werden kann. Das zeigte der Gebäudetechnik Kongress, der am 3. Oktober 2019 im KKL Luzern stattgefunden hat.

«Wir kommen in eine neue Phase des Wandels. Die Gebäudetechnik wird von drei grossen Trends geprägt: Dekarbonisierung, Digitalisierung und Dezentralisierung», sagte Adrian Altenburger, Vizepräsident SIA in seiner Begrüssung. Deshalb seien Fach- und Prozesskompetenz, solide Ausbildung und vernetztes Denken für die Branche wichtiger denn je. Zwar erlasse die Politik neue Vorschriften, «doch diese müssen letztlich wir als Gebäudetechniker umsetzen.»

Damian Müller, Ständerat des Kantons Luzern betonte in seiner Grussbotschaft die Rolle von Forschung und Fortschritt: «Die Bauwirtschaft der Zukunft ist nicht von Verzicht und Verlust geprägt. Gerade bei der Gebäudetechnik ist noch viel Potenzial für Optimierungen vorhanden. Und die Technologie ist schneller als die Politik.» Mit Vernetzung, Mut und Zuversicht seien die Herausforderungen zu schaffen.

Rasche Transformation
Die Keynote von Professor Shicong Zhang von der China Academy of Building Research (CABR) widmete sich dem energiearmen Bauen in China. Das erste chinesische Forschungsprogramm zur Energieeffizienz von Gebäuden wurde 1981 gestartet, die Vorgaben wurden im Lauf der Jahre zunehmend verschärft. Mit ihrer Forschung und Richtlinienarbeit zu kostengünstigen «Nearly Zero Energy Building» (nZEB) beschritt die CABR neue Wege.

 


Die Keynote von Professor Shicong Zhang von der China Academy of Building Research (CABR) widmete sich dem energiearmen Bauen in China.

 

«Der aktuelle Fünfjahresplan verlangt, dass bis Ende 2020 eine Fläche von 10 Millionen Quadratmetern gemäss energiearmen oder ‹nearly zero energy›-Standard gebaut wird», erläuterte Zhang. Durch die Umsetzung moderner Standards, gezielte Förderung und hochwertige Bauteile soll diese Transformation gelingen. Für Bauherrschaften gibt es verschiedene Anreize, energiearme Bauten umzusetzen, darunter Steuererleichterungen, Subventionen oder Gebührenreduktionen. Bei Neubauten sei das energetische Upgrade jedoch wesentlich einfacher, räumte Zhang ein: «In Bestandesbauten wohnen oft hundert oder noch mehr Familien, und für einen energetische Ertüchtigung braucht man die Zustimmung sämtlicher Eigentümer.»

Bauwirtschaft auf Kurs
«Was wir heute neu bauen, ist der Bestand von 2050. Dann muss die Schweiz laut Bundesrat CO2-neutral sein», sagte Peter Richner, Stellvertretender Direktor der Empa. Aus dieser Perspektive gehe es nicht nur um die Betriebsenergie, sondern auch um klimaneutrales und kreislaufgerechtes Bauen. «Was heute verbaut wird, muss in 30 Jahren sortenrein rückgebaut werden. Dafür müssen bereits heute die Weichen gestellt werden», mahnte Richner. Anstelle der bisherigen Wegwerfmentalität müsse die Bauwirtschaft das «Urban Mining» verfolgen und Gebäude quasi als temporäre Materiallager betrachten. Entsprechende Ansätze werden mit dem NEST-Modul «Urban Mining» untersucht. Verglichen mit der Mobilität, deren Emissionen gestiegen sind, sei der Gebäudesektor allerdings auf Kurs, meinte Richner: «Wir müssen die Wärmeerzeugung dekarbonisieren und den Bedarf weiter reduzieren.»

Damit dies gelingt, braucht es neue Zugänge und solide Forschung. Michael De Martin, Präsident des Verbandes «Die Planer» (ehemals SWKI) stellte die Preisträger der Students Competition 2019 vor. Jan Stöckl und Mario Widmer untersuchten die Optimierung massiver Aussenwandkonstruktionen im Wohnbau aus energetischer und ökonomischer Sicht. Ihr Fazit: Die Speichermasse der Aussenwand hat nur einen geringen Einfluss auf den Heizwärmebedarf. Je umweltfreundlicher die Raumwärme erzeugt wird, desto ökologischer ist ein kleiner Wandaufbau. Und um Überhitzung zu vermeiden, wird eine konsequente Nachtauskühlung der Gebäude noch wichtiger.

Verbrauch senken, Kosten drücken
In den nächsten Jahrzehnten wird der Strombedarf wegen der Elektrifizierung ganzer Sektoren wie der Mobilität massiv ansteigen. «Wir sprechen zu oft über die Stromproduktion. Der Fokus sollte vielmehr auf dem Verbrauch liegen», sagte Barbara Frei, Executive Vice President, Schneider Electric Europe Operations. Verglichen mit der Industrieautomation stecke der Wohnbereich bei der Umsetzung von Effizienzgewinnen noch in den Kinderschuhen. Bei Wohngebäuden wurden weltweit gesehen, erst 20 Prozent des Sparpotenzials umgesetzt. Mit Effizienzmassnahmen könne der Stromverbrauch gesenkt werden, was wiederum den Druck auf die Stromproduktion lindere.

Neben möglichst effizienter Technik ist auch das Weglassen von Technik ein interessanter Ansatz. Heinrich Degelo, Inhaber Degelo Architekten, stellte die «Home Base» in Basel vor. Eine Heizung gibt es in diesem Gebäude auf dem Areal Erlenmatt Ost nicht. Dank 80 Zentimeter starken Aussenwänden und guter Dämmung wird das Gebäude ausschliesslich mit der Abwärme der Elektrogeräte beheizt. Die Wohnateliers wurden praktisch im Rohbau an die Bewohnerinnen und Bewohner übergeben, den gesamten Innenausbau realisierten diese nach eigenen Vorstellungen selbst. Das Ziel der ungewöhnlichen Wohnform sind tiefere Wohnkosten und höhere Flexibilität: Kleine Wohneinheiten von jeweils 40 bis 60 m2 können sowohl als Single-, Familien- oder Alterswohnung genutzt werden. Die Miete ist mit 10 Franken pro Quadratmeter und Monat sehr bescheiden.

Dezentral und digital
Jürg Herzog, Country Head, Siemens Schweiz AG, sprach über die Konvergenz von Gebäuden und Energiesystemen. Im Jahr 2050 werden 70 Prozent der Weltbevölkerung in Städten leben. «Der Elektrizitätsverbrauch wird sich bis 2050 dann nahezu verdoppeln. Deshalb werden sichere Versorgungsnetze immer wichtiger», sagte Herzog. Die bisherige zentrale Netztopologie mit Grosskraftwerken wird bekanntlich von dezentralen und digitalen Strukturen abgelöst. «Als Ingenieure müssen wir uns vermehrt am Verbrauch orientieren, etwa in Form eines Energieeinspar-Contractings», forderte Herzog. Die Transformation der Energielandschaft verlange zwar viel Einsatz und Flexibilität, biete Gebäudetechnikern aber auch neue Potenziale.

Datengetriebene Geschäftsmodelle verändern derzeit viele Branchen. Christian Tschumper von Microsoft Schweiz erwähnte den Triebwerkshersteller Rolls-Royce. Dieser verrechnet den Airlines nicht mehr den Wartungsaufwand am Boden, sondern die effektive Flugleistung. Auch in der Immobilienbranche gibt es neue Entwicklungen. Das Unternehmen CBRE aggregiert zum Beispiel bestehende Daten für verschiedene Interessengruppen. Angestellte können so Sitzungszimmer besser nutzen oder Facility Manager den Betrieb optimieren. Um die Daten gewinnbringend einzusetzen, ist eine genaue Auswertung notwendig. «Datenschutz- und Sicherheitsaspekte müssen natürlich berücksichtigt werden, damit die Privatsphäre der Beteiligten geschützt wird», sagte Tschumper.

Intelligenz und Nachhaltigkeit
Der CO2-Ausstoss der Schweiz soll gemäss aktueller Absicht des Bundesrates bis 2050 auf netto null sinken. «Als Gebäudetechniker können wir das Ziel bereits 2040 schaffen», sagte Jürg Grossen, Nationalrat (GLP) und Präsident der KGTV. Dazu müsse aber «jedes einigermassen geeignete Gebäude zu einem Kraftwerk werden.» Die Eigenverbrauchsgemeinschaften (ZEV) und die aufstrebende Elektromobilität seien wesentliche Trends, welche diesen Umbau unterstützen. «Gebäude sind die Tankstellen der Zukunft», sagte Grossen. Um den Eigenverbrauch weiter zu fördern, forderte er «Intelligenz statt Kupfer». Mit virtuellen Zählern anstelle von Kupferleitungen und physischen Zählern könne man die Attraktivität des ZEV weiter fördern: «So können wir den Strom im Quartier produzieren und auch dort verbrauchen.» Die Vernetzung soll künftig mit dem neuen Label «Smart Grid Ready» besser kommuniziert werden.

Die Transformation des Gebäudeparks und der Energielandschaft wird auch die Tätigkeit der Gebäudetechniker verändern. «Der Wandel setzt sich stetig fort», sagte Mathias Prüssing, CEO BKW Building Solutions. Er skizzierte verschiedene Trends, welche die Branche prägen dürften. So werden in Zukunft vermehrt Gesamtlösungen nachgefragt werden, die Gebäudetechnik, Elektromobilität und Speichertechnologien verbinden. Diese wachsende Komplexität führt zum neuen Berufsbild «Gebäudeinformatiker». Ebenso werden klassische IT-Konzerne in den Markt eintreten. Schliesslich dürfte das Building Information Modeling (BIM) die Bauprozesse sowie auch den Bauablauf massgeblich verändern.

Die Reise geht weiter
Mehrere Referentinnen und Referenten wiesen auf den aktuellen Entwurf des Ständerates für das CO2-Gesetz hin. Die Beschleunigung und Verschärfung der Absenkpfade wird den Abschied von fossilen Energieträgern merkbar beschleunigen. Die neuen Vorgaben sorgen für Druck, geben der Branche aber auch Anreize für einen Wandel. Die Gebäudetechnik wird mit ihrem Fachwissen und ihrem Know-how für die Umsetzung einen wesentlichen Beitrag zur Erreichung der Klimaziele leisten können.